Geschichte

Das Ahlerstedter Kirchengebäude ist gerade 150 Jahre alt geworden. Ein guter Grund, um einmal auf die bewegte Geschichte der Ahlerstedter und ihrer Kirche zurückzuschauen.

Wann und von wem in Ahlerstedt die erste Kirche gebaut wurde, ist nicht nachzuprüfen. Vermutlich hat es schon vor dem Jahr 1200 eine Kirche oder zumindest eine Kapelle gegeben.

Während des Dreißigjährigen Krieges wurde diese weitgehend zerstört. Die Trümmer wurden benutzt, um 1656 eine neue Kirche zu erbauen. Es war eine einfache Kirche ohne viel Schmuck. Die Kirchenbänke standen auf ungepflastertem Boden. Im Mauerwerk fanden sich unterschiedliche Sorten von Steinen. Der Kirchturm stand für sich und bestand aus Eichenbalken und Tannenbrettern. Das einzige Schmuckstück waren die Buntglasfenster, die Bilder von biblischen Geschichten zeigten. Der Taufstein aus diesen frühen Zeiten ist erhalten geblieben. Er ist aus Granit und steht heute draußen auf dem Kirchgelände.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde die Kirche zu klein. Die Ahlerstedter Bevölkerung war enorm gewachsen. 1753 gehörten zum Kirchspiel Ahlerstedt ca. 65 Haushalte. Hundert Jahre später gab es schon 231 Häuser. Also beschloss der damalige Kirchenvorstand am 22.12.1860 den Neubau.

Die alte Kirche wurde abgebrochen und aus dem abfallenden Material entstand auf dem Kirchengelände eine Scheune. Diese diente während der Bauphase (1862-1865) als „Notkirche“.

 

Am 12. November 1865 waren fast 3000 Menschen anwesend, um die Einweihung der neuen Kirche mitzuerleben. Dass so viele Menschen bei diesem Fest dabei sein wollten, lag zum einen daran, dass die Ahlerstedter dankbar waren für ihr neues Kirchengebäude.

Zum anderen wollten alle wohl auch einen Blick auf den damaligen König Georg V. von Hannover werfen. Der König und seine Frau hatten zum Bau der Kirche viel beigetragen und wurden darum wohl noch herzlicher begrüßt. 500 Taler hatte der König für die neue Orgel gespendet. Die Buntglasfenster im Altarraum waren ein Geschenk der Königin Marie von Hannover. Leider wurde ein Teil 1944 durch Bombensplitter zerstört und musste mit neuen Scheiben ergänzt werden.

Auch Friedrich Huth, ein reicher Londoner Kaufmann, der aus Harsefeld stammte, trug mit 300 Talern zur neuen Orgel bei. Ein Künstler mit Namen Bergmann schenkte der Gemeinde die Altarbilder. Auf ihnen ist Jesus Christus zu sehen als neugeborenes Kind, als Gekreuzigter und Auferstandener.

Auch die Kanzel und der Taufstein stammen aus dieser Zeit, vermutlich auch durch Spenden ermöglicht. Kein Wunder bei so vielen Geschenken, dass die Ahlerstedter glücklich waren über ihre neue Kirche. 

Nach und nach kamen neue Anschaffungen hinzu. 1909 erhielt der Kirchturm eine Uhr. Im gleichen Jahr wurde die alte Glocke von 1639 durch zwei neue ersetzt. Während des ersten und des zweiten Weltkriegs wurden unsere Glocken für Rüstungszwecke eingeschmolzen. Die jetzigen vier Glocken wurden 1959 zum Erntedankfest eingeweiht. Jede Glocke hat eine eigene Bedeutung. Die kleinste läutet bei Taufen, eine andere bei Trauungen. Die Scheideglocke läutet zu Beerdigungen. Die vierte Glocke ist die sogenannte Betglocke. Zum Gottesdienst läuten alle vier Glocken gemeinsam. Weihnachten 1937 gab es ein weiteres Geschenk: Familie Fitschen aus Bokel ließ zwei elektrische Kronleuchter anschaffen, die die alten Petroleumlampen ablösten. Die Inschrift im vorderen Leuchter zeugt davon. 

Immer wieder gab es Veränderungen in und an der Kirche. Türen wurden vermauert, der Friedhof um die Kirche herum verlagert, eine neue Orgel angeschafft, Heizungsanlagen installiert usw.. Der Charakter der Kirche ist dabei erhalten geblieben. Eine einfache und schlichte Kirche dient uns, Gott zu danken, zu bitten und zu loben. Viele verschiedene Menschen haben mit Spenden und Geschenken, mit ihrer Zeit und ihrer Kraft dazu beigetragen, dass unsere Kirche so ist, wie sie heute ist. Das ist ein guter Ausdruck dessen, was Gemeinde ist: ein Ort, an dem jeder vor Gott treten kann und sich mit seinen Gaben einbringt.
                                                                                      (in Anlehnung an die Festschrift zur Hundertjahrfeier von Jürgen Hühnke, 1965)

 

Unsere Kirchengemeinde ist wohl immer noch geprägt von der "Hermannsburger Erweckung", jener Bewegung, die Mitte des 19. Jahrhunderts von Louis Harms ausgehend viele Orte der Heide, auch Nachbarge-meinden wie Sittensen, Selsingen, Bargstedt, Heeslingen erfasste.

 

"Er-Weckung" hat mit "Auf-Wecken, Auf-Wachen" zu tun (Bibel, Epheser 5,14). - Grundlegende Gedanken und Erfahrungen, die damit verbun-den waren, kann man vielleicht so beschreiben: "Es gibt Gott wirklich! Er ist in Jesus zu uns auf die Erde gekommen. So wie Jesus den Menschen begegnet, will er mir begegnen. Durch seinen Geist begeistert er mich. Weil ich das erkannt habe und erlebe, möchte ich zu Gott umkehren, mich abwenden von dem, was mich nach unten zieht. Ich möchte Glauben konkret im Alltag leben, z.B. durch Tischgebet, durch Lesen in der Bibel, durch Andachtsbücher, durch Gottesdienstbesuche, durch Mitmachen im Kirchen- und Posaunenchor, durch die Unterstützung der Einladung zum Glauben (Mission)..."

 

Viel Gutes ist durch diese Bewegung entstanden. Gerade auch, weil der Glaube ganz praktisch im Alltag gelebt werden sollte. Manchmal mag in dieser Zeit auch übers Ziel hinausgeschossen worden sein, wenn "zu praktisch" Dinge bestimmt wurden, die so in der Praxis gar nicht zur Norm gemacht werden müssen.

 

Ältere Gemeindeglieder können noch erzählen: von den Vorfahren, die ihre "weltlichen" Musik-instrumente vernichteten und fast demonstrativ Kirchen- und Posaunenchor gründeten, von den Regeln, die bestimmten, dass man nicht zum Tanz ging, wenn man sich kirchlich engagierte. Aber ebenso von dem bodenständigen ehrlichen Glauben, der wirklich im Leben und im Sterben half, von den Missionsfesten, von den ersten Menschen mit dunkler Haut, die aus den Missionsgebieten kamen, davon dass Tischgebet und Andacht-Lesen noch üblich waren, "als Oma und Opa noch lebten."

 

Vieles davon ist verloren gegangen. Andere Prägungen, auch missionarische, sind dazu gekommen. Trotzdem: Dass viele Menschen eine positive Einstellung zur Kirche haben, mag auch noch aus der "alten" Hermannsburger Zeit kommen.